• BacksteingeschichtenBacksteingeschichten
  • Main menu
  • Geschichte und Geschichten aus der Hansezeit

Kategorien

  • Lübecks Gänge und Höfe
  • Hansestadt Lübeck
  • Graths Gang und Warnckes Gang

    Olaf Pokorny Sonntag, 20. Januar 2019, 19:22 Uhr │ Lübecks Gänge und Höfe
    (zuletzt geändert am 13. Dezember 2022, 8:12 Uhr)

    Lübeck · Gänge und Höfe · Stadtrundgang · Jakobi Quartier · Glockengießerstraße · Graths Gang · Warnckes Gang · Greve­raden Hagen · Riesen­bergs Gang

    Zum Start ins neue Jahr geht es in die Glocken­gießer­straße und zu zwei Gängen, die beide etwa in der Mitte des letzten Jahrhunderts abge­rissen wurden. Heute weisen nur noch die Namens­schilder über den ehe­maligen Zugängen auf ihre frühere Existenz hin. Ihre Geschichte verrät aller­dings viel über den Umgang der Lübecker Bürger mit ihren weniger gut betuchten Mit­menschen und deshalb soll dies hier nicht unerwähnt bleiben.

    Stadtplan: Lübeck, Glockengießerstraße

    Lübeck, Glockengießerstraße 70 und 93
    Daten von OpenStreetMap – Veröffentlicht unter ODbL.

    Graths Gang

    Das Vorder­haus in der Glocken­gießer­straße 70 in seiner heutigen Form und der Gang entstanden wohl gemeinsam im 16. Jahr­hundert [1]. Eine erste urkund­liche Erwähnung findet sich 1538, als der Schuh­macher Valentin Schröder, der seit 1518 Eigen­tümer war, Haus und Gang den Vor­stehern des Pocken­hofes vor dem Burg­tor abtreten musste [2]. In dieser Urkunde heißt es: „eyn dwerhus mith eynem gange und den boden to have­wertz belegen“. Es finden sich jedoch Hinweise auf eine schon frühere Bebauung dieses Grund­stücks aus dem 13. und 14. Jahr­hundert, wobei es zu dieser Zeit noch keinen Gang gegeben haben dürfte [1]. Im Jahr 1702 wurde ein gewisser Hermann Helms Eigen­tümer von Haus und Gang und man erfährt, dass zu dieser Zeit 13 Wohnungen darin zu finden waren. Der Gang war schon immer dicht bewohnt und so heißt es bei Prof. v. Lütgen­dorff, dass zu seiner Zeit sogar 17 Wohnungen existierten, wobei diese ver­mutlich in den vor­handenen 13 Buden unter­gebracht waren [2].

    Foto: Graths Gang, Glockengießerstraße 70

    Graths Gang, Glocken­gießer­straße 70
    Veröffentlicht unter einer Fair-Use-Policy.

    In einem Proto­koll der Bau­polizei von 1933 war der Abriss sämtlicher Buden in dem schmalen und dunklen Gang vor­gesehen. Die ersten vier Buden auf der rechten Seite waren jedoch erst 1951 ver­schwunden und ließen etwas mehr Licht in den Gang. Nach Kriegs­ende wurden hier, wie in vielen anderen Gängen Lübecks auch, Flücht­linge aus dem Osten unter­gebracht [3]. Ver­mutlich wurde deshalb auf einen früheren Abriss ver­zichtet.

    Graths Gang galt schon seit jeher als Unter­kunft für Arme und Mittel­lose. Wie auch in den Stifts­höfen sollte eine Getto­bildung ver­mieden werden, da Gang­bewohner und Bewohner des Vorder­hauses wie eine große Familie zusammen lebten. Schon die architek­tonische Ver­bindung von Vorder­haus und Gang­buden ließ dies erkennen. Der Geist der Refor­mation wurde so gewisser­maßen in Stein gemeißelt. Diese enge Ver­bindung von Vorder­haus und Gang sowie die Bau­weise der Gang­buden mag wohl auch dem Bau­meister von Glandorps Gang, einem Stifts­gang, der erst 100 Jahre später errichtet wurde, als Vorbild gedient haben. Alte Foto­grafien aus der Zeit vor dem end­gültigen Abriss von Graths Gang in den 1970er Jahren, lassen eine nicht von der Hand zu weisende Ähnlich­keit beider Gänge erkennen. Möchte man also einen Ein­druck von Graths Gang bekommen, sollte man Glandorps Gang besuchen, sich diesen dann aller­dings etwas enger und dunkler vor­stellen. Ähnlich hoch­wertige Unter­künfte finden sich in gewöhn­lichen Gängen aller­dings nicht allzu häufig. Neben Graths Gang nur noch im Adler-Gang, in Lüngreens Gang und im St. Jürgen-Gang [3].

    Warnckes Gang

    Warnckes Gang in der Glockengießerstraße 93 wurde 1438 vom Rats­herrn Johann Gerwer angelegt und nach dessen Tod 1460 von Hans Greve­rade über­nommen. Greve­rade war Mit­glied einer sehr wohl­habenden und reli­giösen Lübecker Familie, die unter anderem den berühmten Memling-Altar aus der Familien­kapelle an der Nord­seite des Doms stiftete. Der Altar befindet sich heute im St.-Annen-Museum. Neben Warnckes Gang gab es hier noch einen zweiten Gang, dessen Ursprung eben­falls auf Gerwer und Greve­rade zurück geht. Lange Zeit kannte man diesen Gang daher auch unter dem Namen „Greve­raden Hagen“. Etwas unklare Angaben kursieren darüber, wann welches dieser Grund­stücke an wen ver­erbt wurde. Ein­deutig ist, dass 1485 Hans Greve­rades Tochter den Gang (oder beide?) als Mit­gift mit in die Ehe mit Hans Beseler brachte. Ver­mutlich eines der beiden Grund­stücke geriet 1527 auf dem Erb­wege an die Kinder des Rats­herrn Dietrich Basedow, der andere Teil 1563 an Hans Kriten. Um 1617 ver­einigte der neue Besitzer, der Bau­unter­nehmer und Älter­mann der Maurer und Zimmer­leute David Poggen­see, die beiden Grund­stücke wieder. Er war es ver­mutlich auch, der im Vorder­haus ein Brau­haus ein­richtete, das viele Jahr­zehnte bestehen blieb. Um den Erhalt der Buden kümmerten sich jedoch weder er noch seine Nach­folger mit besonderer Hin­gabe [3] [4].

    Foto: Warnckes Gang, Glockengießerstraße 93

    Warnckes Gang, Glockengießerstraße 93
    Veröffentlicht unter einer Fair-Use-Policy.

    1806 erwarb der Haus­zimmer­mann Johann Jakob Riesen­berg das Grund­stück. Einer der beiden Gänge wurde in der Folge unter dem Namen „Riesen­bergs Gang“ geführt. Lange existierte dieser jedoch nicht mehr, da die Buden im Laufe der Jahre bau­fällig geworden waren. Schon 1855 ist von Riesen­bergs Gang keine Rede mehr. Etwas länger gehalten hat sich dagegen Warnckes Gang, über den jedoch auch Prof. v. Lütgen­dorff schon in den 1930er Jahren von einem „freud­losen Hof­raum“ spricht. Er schreibt, dass „die sieben Buden auf der rechten Seite“ an „ganz arme Leute ver­mietet“ sind, „die wenig Ansprüche an einen Wohn­raum machen können“. Zur Zeit der Cholera, etwa um 1860, als der Arzt Dr. Emil Cordes die Gänge an der Ober­trave als Seuchen­herde bezeichnete und für eine Ver­bes­serung der Wohn­verhält­nisse eintrat, machten ihn die Bewohner der Glocken­gießer­straße auch auf Warnckes Gang auf­merksam. „Er soll die Hände über dem Kopf zusammen­geschlagen haben, als er die dürftigen Zimmer­chen mit abge­bröckeltem Mauer­putz sah, an die sich Betten lehnten, die diesen Namen nicht mehr ver­dienten“ [4]. Da wundert es wenig, dass später auch Warnckes Gang in der Abbruch­liste der Bau­polizei auf­tauchte. Bis 1951 sind jedoch noch vier Gang­buden erhalten geblieben [3], möglicher­weise aus dem­selben Grund wie die Buden in Graths Gang. Wann genau die letzte Bude abge­rissen und Warnckes Gang voll­ständig beseitigt wurde, darüber schweigen die Quellen ebenso, wie über den Namens­patron dieses Ganges. Im Archiv der Hanse­stadt Lübeck, Bau- und Architektur­geschichte, Stadt­entwicklung in Lübeck, findet sich die Jahres­zahl 1931 für den Abbruch [1]. Da die Beschrei­bungen zu Warnckes Gang von Prof. v. Lütgen­dorff jedoch erst 1936 ver­öffentlicht wurden und der Name „Riesen­bergs Gang“ bereits 1855 nicht mehr erwähnt wird, scheint diese Jahres­zahl jedoch eher frag­würdig zu sein.


    Literatur

    Archiv der Hanse­stadt Lübeck, Bau- und Architektur­geschichte, Stadt­entwicklung in Lübeck:

    [1] Dokument AG.04: Glocken­gießerstr. 1‑108

    [2] Lübeck zur Zeit unserer Groß­eltern, Teil III: Stifte, Höfe, Gänge; Prof. W. L. von Lütgen­dorff, Lübeck 1936; S. 106

    [3] Lübeck, Das alte Stadt­bild, Geschichte der Wohn­gänge, Band 3, Fischer­grube bis Hunde­straße; Rainer Andresen, Lübeck 1982; S. 62ff

    [4] Lübeck zur Zeit unserer Groß­eltern, Teil III: Stifte, Höfe, Gänge; Prof. W. L. von Lütgen­dorff, Lübeck 1936; S. 100f

    Artikel per E-Mail weiterempfehlen

    « Kattun­drucker-Gang │ Nöltings Gang und Kleins Gang »

    Schreibe einen Kommentar Antworten abbrechen

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

    Beim Abschicken des Kommen­tars können Cookies auf Deinem Rechner gespeichert werden. Diese be­inhalten den ange­gebenen Namen, die E-Mail-Adresse sowie – falls einge­tragen – die Adresse (URL) der Web­site. Um dies zu Ver­hindern, kannst Du unten das Kontrollkästchen deaktiviert lassen oder in den Einstel­lungen Deines Browsers das Setzen von Cookies block­ieren. Dein Kommen­tar wird dann zwar trotz­dem zusam­men mit den oben genan­nten Daten auf dem Server gespei­chert, es erfolgt jedoch keine Rück­meldung auf dieser Seite, dass der Kommen­tar über­tragen wurde und auf Frei­schaltung wartet.

    Neben den oben einge­tragenen Daten wird auf dem Server zusätz­lich der Zeit­punkt und die IP-Adresse des Internet-Anschlusses gespei­chert, von dem aus der Kommen­tar abge­schickt wurde.

    Weitere Infor­mationen zum Daten­schutz findest Du in der Daten­schutz­erklärung.

    RSSKommentare zu diesem Artikel als RSS-Feed oder Atom-Feed abonnieren

  • Suche

    Blog durchsuchen…

    Archiv

    Blog folgen

    Feed-IconRSS-Feed abonnieren
    Feed-IconAtom-Feed abonnieren

    Kategorien

    • Lübecks Gänge und Höfe
    • Hansestadt Lübeck

    Neueste Artikel

    • Lesson 1: Listen and Repeat
    • Eine Reise ins lebendige
      Mittel­alter
    • Homanns Gang oder:
      Der Gang, der umzog…
    • Bäcker-Gang
      (Glocken­gießer­straße)
    • Lödings Hof

    Über den Autor

    • olafpokorny.de
    • Über mich
    • LinkedIn
    • Facebook
    • Instagram
    • 500px
  •  ⇧ 

    Copyright © 2025 Olaf Pokorny
    Veröffentlicht unter einer Fair-Use-Policy.

    Datenschutz | Impressum