Lesson 1: Listen and Repeat
Als kleinen Ausblick auf einen der schönsten Lübecker Stiftshöfe, gibt es zum Abschluss dieses denkwürdigen und unvergesslichen Jahres heute noch mal etwas zum Schmuzeln.
Wer offenen Auges über die Lübecker Altstadtinsel wandelt, wird früher oder später unweigerlich über die ein oder andere dieser dunkelbraunen Hinweistafeln stolpern, die an (fast?) allen geschichtsträchtigen Bauwerken angebracht sind. Und davon gibt es ja so einige. Da Lübeck eine weltoffene Stadt ist, die selbstverständlich nicht nur des Marzipans wegen Menschen aus allen Kontinenten anlockt, hat man keine Kosten und Mühen gescheut, diese Hinweistafeln nicht nur auf Deutsch, sondern, für die lieben Gäste, auch in englischer Sprache anfertigen zu lassen. Blöd nur, wenn man dann mit dem Anbringen dieser Tafeln jemanden beauftragt, der dieser Form der Kommunikation offensichtlich nicht gewachsen ist. Zumindest bei Glandorps Gang und Glandorps Hof in der Glockengießerstraße ist hier einiges durcheinander geraten, wie auf den beiden folgenden Beweisfotos deutlich zu erkennen ist:
Der Blick in ein Deutsch-Englisches Wörterbuch bringt es ans Licht: „Hof“ = courtyard und Gang bzw. „schmale Gasse“ = alleyway. Äußerst bemerkenswert in diesem Zusammenhang finde ich übrigens die Tatsache, dass unter dem Begriff „Hof“ bei leo.org auch die Übersetzung „corona“ zu finden ist… und dabei hatte ich mir doch so fest vorgenommen, dieses Wort hier nicht zu erwähnen! (In der Astronomie bezeichnet man mit „Korona“ übrigens den durch Wolken entstehenden Lichthof um einen Himmelskörper, wie den Mond).
Damit die Verwechslung der Schilder deutlich wird und weil der Text auf den kleinen Fotos oben nicht so gut zu entziffern ist, hier die exakten Wortlaute und die korrekte Zuordnung der vier Tafeln:
Angesichts der erschreckend vielen Rechtschreib- und Grammatikfehler drängt sich der Verdacht auf, die Druckerei von Johann Balhorn dem Jüngeren war an der Herstellung der Schilder beteiligt! Vielleicht möchte man aber auch nur die Aufmerksamkeit der Besucherinnen und Besucher auf die Probe stellen und so für ein ganz besonderes Erlebnis sorgen. Immerhin bleiben solche unerwarteten Fehler besser in Erinnerung, als die Inhalte der Texte. Ich habe allerdings noch nicht herausgefunden, ob man etwas gewinnen kann, wenn man die Fehler erkannt hat…
Im nächsten Artikel wird sich also alles um die Geschichte von Glandorps Gang und Hof sowie Ilhorns Armenhaus drehen, das sich ebenfalls hinter der Fassade von Glockengießerstraße 39 bis 53 verbirgt. Guten Rutsch!
Witzige Anekdote und ein gutes Beispiel!
Ach noch ein kleiner Nachtrag: Es ist bei Olaf von der Druckerei des Johann Balhorn dem Jüngeren zu lesen. Von ihm resultiert auch der Begriff des Verballhornens.
Ganz genau! In dem oben verlinkten Artikel auf wikipedia.de im Abschnitt „Leben“ des Johann Balhorn findet sich eine – zugegebenermaßen recht kurze – Erklärung dazu. Im Auftrag des Rates sollte Herr Balhorn eine hochdeutsche Version des Lübschen Rechts drucken. Als Drucker war es allerdings nicht seine Aufgabe, das Werk auf Fehler zu überprüfen. Und so druckte er, was ihm geliefert wurde. Da aber auf dem Werk nachher nur der Name des Druckers genannt wurde, nicht aber die der Urheber, hat sich im Laufe der Zeit diese Redewendung etabliert, als Synonym für eine allgemeine Verschlimmbesserung.
Solche Absurditäten halten sich aber durchaus bis in die heutige Zeit. Eine Bekannte von mir hat mal bei einer Tageszeitung im Korrektorat gearbeitet. (Ok, das gibt es heute wahrscheinlich auch nicht mehr…). Eines Tages bekam sie eine Traueranzeige zur Korrektur in die Hände. Auf Nachfrage bei ihrem Vorgesetzten wurde ihr verbindlich gesagt, sie dürfe lediglich Rechtschreibfehler korrigieren, jedoch keine inhaltlichen Änderungen vornehmen. In der veröffentlichten Anzeige stand folglich so etwas wie:
„Die Trauerfeier findet am Mittwoch um 14 Uhr auf dem Hauptbahnhof statt.“
Immerhin bekam so wenigstens der Ausdruck „die letzte Reise“ noch einen Sinn…
Olaf Pokorny ist nicht nur ein toller Fotograf. Er hat auch einen super Blog über die Lübecker Gänge und Höfe. Einfach lesenswert. Dieses „Schilder“-Memory ist mir bisher nicht aufgefallen.
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Hier seht Ihr, was Euch bei einer Tour mit mir erwartet.
Ich freue mich auf Sie/Euch
Ihr
etwas anderer Stadtführer
Axel Schattschneider