St. Jürgen-Gang
Laufen wir die Depenau weiter hoch und dann nach links, erreichen wir über die Kleine Kiesau und den Kolk, vorbei am TheaterFigurenMuseum, die Kleine Petersgrube. Gleich auf der rechten Seite, in Hausnummer 4, liegt der St. Jürgen-Gang, der um 1658 „Pockengang“ genannt wurde.
St. Jürgen, die norddeutsche Bezeichnug von St. Georg, begegnet einem recht häufig in Lübeck und Travemünde. Nicht nur, dass ein ganzer Stadtteil und diverse Straßen und Plätze nach ihm benannt wurden, es existieren auch zahlreiche Statuen und andere Kunstwerke im ganzen Stadtgebiet, die sich mit seiner Person und seiner Heldentat befassen.
So kann man z. B. in der Katharinenkriche die vielleicht größte St. Jürgen-Gruppe bewundern, aber auch im Museumsquartier St. Annen gibt es eine kleinere Variante zu sehen. Wer den Besuch des Museum scheut, findet an der Fassade des ehemaligen Restaurants „Hieronymus“, in der Fleischhauerstraße 81, zumindest einen Drachen und eine Jungfrau… und damit ist auch schon klar, worum es hier geht.
Bekannt wurde St. Jürgen als Drachentöter, der den furchtbaren „Roggenbuk“ zur Strecke brachte. Der Roggenbuk war ein Wassermann, der in der Trave-Mündung sein Unwesen trieb und mit seinem Harfenspiel willenlose Opfer in die Fluten lockte, tötete und sich aus ihren Knochen seine Harfe baute. Zu allem Überfluss konnte er sich auch noch in einen Drachen verwandeln. Weil aber bald kein Handelsschiff mehr hier anlegen wollte und sich die Fischer auch nicht mehr hinaus auf die See trauten, um ihre Netze auszuwerfen, kam man irgendwann mit dem Roggenbuk überein, die Menschen in Ruhe zu lassen, wenn ihm einmal im Jahr, am Johannistag, eine besonders schöne Jungfrau geopfert wurde. Eines Tages, als wieder einmal eine Jungfrau geopfert werden sollte, sah dies der Ritter St. Jürgen, stürmte heran und stieß dem Wassermann, der die Gestalt eines Drachen angenommen hatte, sein Schwert ins Herz. Der Drache stürzte ins Wasser und wurde zu Stein.
Wer des Plattdeutschen halbwegs mächtig ist, findet auf plattpartu.de eine ausführliche Version der Geschichte vom Roggenbuk [1].
Der Überlieferung nach forderte St. Jürgen von den Fischern als Dank für seine Mühen die Errichtung eines Siechenhauses, ein Armenhaus, das bis heute in Travemünde steht und der Siechenbucht ihren Namen gab.
Wie nun aber dieser Gang zu seinem Namen kam, ist leider nicht ganz so eindeutig. Wie schon erwähnt, wurde er im 17. Jahrhundert zeitweise „Pockengang“ genannt, als sein bisheriger Eigentümer, ein gewisser Steffen Hoffmann, sich vom Pockenhaus Geld lieh, dies nicht zurückzahlen konnte und deshalb den Gang an die Vorsteher des Pockenhauses abtreten musste. Vielleicht fand der Name seinen Ursprung im Eigentümer von 1585: Hans Jürgens. Die erste urkundliche Erwähnung stammt jedenfalls aus diesem Jahr und auch die Inschrift über dem Tor verweist auf diese Zeit, genauer gesagt auf das Jahr 1587. Der Text dieser Inschrift lautet „Whar dine Tunge mit flit Un truwe Godt, De segen et alle tidt“ [2].
Im Laufe der Zeit könnte aus dem Jürgens Gang möglicherweise der St. Jürgen-Gang geworden sein. Vielleicht war der Name „Pockengang“ den Menschen aber auch irgendwann einfach zu suspekt und in Ermangelung einer Alternative widmete man diesen Gang dem Drachentöter.
[1] Platt partu: Sagen ut Noorddüütschland: Roggenbuk, de Woterkeerl
Archiv der Hansestadt Lübeck, Bau- und Architekturgeschichte, Stadtentwicklung in Lübeck:
[2] Dokument AK.03: Kleine Gröpelgrube 1–32 bis Kleinhäuser
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