Bäcker-Gang
(Glockengießerstraße)
In der Glockengießerstraße Nr. 38 befindet sich, wie auch schon in der Engelsgrube, ein Bäcker-Gang. Brot zählte schon seit jeher als Grundnahrungsmittel und so ist es auch kaum verwunderlich, dass es gleich mehrere Gänge und Höfe gibt, in denen Bäcker oder diesen nahestehende Berufsgruppen wie etwa Grützmacher, lebten und arbeiteten.
Backstuben waren im Mittelalter fast immer in Eckhäusern untergebracht und auch hier in der Glockengießerstraße/Ecke Tünkenhagen, finden wir noch heute das Freibackhaus des Landwege e. V., die nach eigenen Aussagen wohl älteste Backstube Deutschlands. Diese exponierte Lage hatte durchaus ihren Sinn! Backstuben benötigen zum Backen natürlich Öfen, in denen früher offenes Feuer loderte. Die Brandgefahr war also enorm hoch. Ein brennendes Eckhaus lässt sich von zwei Seiten deutlich besser löschen als ein Mittelhaus und ein Ausbreiten des Feuers auf Nachbargebäude kann viel effektiver verhindert werden.
Tatsächlich gehörte der Bäcker-Gang vor Langer Zeit einmal zu diesem Freibackhaus und hieß dem entsprechend auch „Freibäckergang“ [1]. Aber was in aller Welt ist ein Freibäcker? Im 16. Jahrhundert fingen die Bäcker an, ihre Monopolstellung auszunutzen und immer mehr an den Zutaten für ihre Backwaren zu geizen. Lange Zeit erduldeten die Lübecker Bürger den damit verbundenen Schrumpfungsprozess, doch als das Brot 1546 auch noch teurer werden sollte, beschwerten sie sich schließlich beim Rat der Stadt.
Nach ausführlicher Prüfung der Sache wurde angeordnet, dass jeder Bäcker ab sofort ein eigenes „Markenzeichen“ in jeden einzelnen Brotlaib zu drücken habe. Dies ging den Bäckern natürlich zutiefst an die Berufsehre, dass nun jeder sofort sehen sollte, von wem die zu klein geratenen Brote stammten. Folglich weigerte man sich, dieser Anordnung Folge zu leisten und drohte sogar damit, die Backhäuser ganz zu schließen.
Der Rat ließ sich von den Bäckern jedoch nicht erpressen und setzte 1547 kurzerhand vier Freibäcker ein, die, um Repressalien zu vermeiden, dem Amt der Schmiede zugeordnet wurden. Mit dem Einsetzen der Freibäcker wurden auch Größe und Qualität der Brote festgelegt. Dieser angewandte Verbraucherschutz garantierte den Kunden, dass die gesiegelten Brote einwandfrei in Ordnung waren und ermöglichte dem Rat Druck auf die Freibäcker auszuüben, falls Preis, Qualität oder Gewicht der Brote nicht den Vorgaben entsprachen [2].
Doch zurück zum Bäcker-Gang. Das Vorderhaus findet bereits 1294 Erwähnung unter seinem Eigentümer Bernhard Sachtelevend. Der Gang selbst wird erstmals 1531 erwähnt, als die Kinder des Ratsherren Jakob Westken (Andresen: „Wilken“) in das Grundstück eingewältigt werden [1] [2].
Mitte des 18. Jahrhunderts befanden sich zeitweise zehn Buden im Gang und es existierte laut Prof. Lütgendorff auch noch eine Verbindung zum Tünkenhagen. Es ist allerdings nicht belegt, wo dieser Ausgang zu finden gewesen sein soll. Rainer Andresen vermutet, es könne bestenfalls eine Verbindung zu einer der Buden in Mertens Gang gegeben haben oder einen Hoftürenzugang durch eines der Vorderhäuser im Tünkenhagen [2].
[1] Lübeck zur Zeit unserer Großeltern, Teil III: Stifte, Höfe, Gänge; Prof. W. L. von Lütgendorff, Lübeck 1936; S. 104 f
[2] Lübeck, Das alte Stadtbild, Geschichte der Wohngänge, Band 3, Fischergrube bis Hundestraße; Rainer Andresen, Lübeck 1982; S. 46 ff
Super geschriebener und informativer Artikel :-). In diesen Blog werde ich mich noch richtig einlesen
Sie werden bestimmt noch viele lesenwerte Artikel hier finden. Einige der schönsten Gänge und vor allem Stiftshöfe fehlen auch noch und einige der älteren Artikel werden beizeiten um einige neue Erkenntnisse ergänzt. Schauen Sie gerne hin und wieder mal vorbei.