Nöltings Gang und Kleins Gang
Durch die Eingänge in der Glockengießerstraße 64 und Wakenitzmauer 164, sowie einen weiteren Zugang über die Hundestraße Nr. 95, gelangt man heute in einen großen Hof mit einem gut bestückten Kinderspielplatz. Von Sandkisten und Schaukeln, über diverse Klettergerüste und Tischtennisplatten bis hin zu einem Wasserspielplatz findet sich so ziemlich alles, was Kinderaugen leuchten und -herzen höher schlagen lässt. Auch an die Begleitpersonen wurde gedacht: es gibt etliche Sitzgelegenheiten und sogar eine Unterstellmöglichkeit, falls es zwischendurch doch mal regnen sollte… Ein kleiner Geheimtipp, bei dem man fast vergessen könnte, dass es auch noch ein wenig Geschichte zu entdecken gibt!
Nöltings Gang
Wie nur unschwer zu erraten sein dürfte, war hier nicht immer so ein großer freier Platz. Die letzten Überreste der ehemaligen Buden verschwanden aus Nöltings Gang erst Ende der 1970er Jahre [1] und auch die Buden im benachbarten Graths Gang wurden, wie wir ja bereits wissen, nur wenige Jahre zuvor endgültig abgerissen.
Entstanden ist Nöltings Gang vermutlich schon um 1413, nachdem ein gewisser Gerd Palmedach zusammen mit seinem Bruder, einem Revaler (Tallinn) Ratsherren, das Haus an der Straße von seinem Vater erbte und die Buden im schmalen Hof errichtete. 1466 wurden die benachbarten Häuser im Oberstadtbuch als „by Gert Palmedachs Hagen“ liegend bezeichnet [2], also hat dieser Gang zu jener Zeit wohl den Namen seines Erbauers und Besitzers getragen. Mitte des 16. Jahrhunderts gehörte der Gang den „Vorstehern der Wachslichte zu St. Marien“ Godert (Gotthard V.?) v. Höveln und Hinrik Koller [3], die ihn 1589 an Tymme (Tymno) Prutzmann verkauften.
Seinen heutigen Namen erhielt der Gang erst 1752, als Jost Nölting, aus der angesehenen Lübecker Kaufmannsfamilie, das Grundstück seinem Sohn Johann Gottlieb Nölting hinterließ, doch schon 1745 taucht dieser Name im Marien-Traubuch auf. 1804 wurde Hinrich Anton Zerrahn Besitzer des Ganges [2], der Name „Nöltings Gang“ blieb jedoch erhalten. Möglicherweise, um Verwechslungen zu vermeiden, da es einen Zerrahns Gang schon damals in der Engelsgrube gab.
Kleins Gang
Kleins Gang befand sich in der Wakenitzmauer Nr. 164. Vermutlich wurde er schon Anfang des 20. Jahrhunderts abgetragen, in den Büchern von Prof. v. Lütgendorff aus den 1930er Jahren taucht er jedenfalls nicht mehr auf. Bei Andresen dagegen findet sich der Hinweis, dass dieses Grundstück bereits 1582 erwähnt wird und sich über die heutigen Grundstücke 156 bis 172 erstreckte. Die erwähnten Buden lagen zum Teil Rücken an Rücken mit denen aus Graths Gang [4]. Wann der Gang und die Buden errichtet wurden, erfährt man allerdings nicht.
Woher der Name „Kleins Gang“ stammt, bleibt ebenso ein Geheimnis, wie der noch ältere Name „Lembckes Gang“ (Lembke’s Gang, s. Hartogs Thorweg). 1919 wurde hier die Maschinenfabrik Baader gegründet, die in den 1960er Jahren in die Geniner Straße umzog. Die Hallen der Fabrik wurden in der Folgezeit als Lager genutzt, bis schließlich zu Beginn der 1980er Jahre alle Gebäude leer standen und zum größten Teil baufällig geworden waren. Im Zuge der Umgestaltung dieses Areals, bei der auch der Innenhof sein heutiges Gesicht erhielt, wurde auch der lange Zeit verschlossene Gang wieder eröffnet und ermöglicht nun wieder den Zugang zum Spielplatz [4].
Wie eingangs erwähnt, gibt es noch einen weiteren Zugang zu diesem Areal über die Hundestraße 95. Die breite Zufahrt durch ein doch eher modernes Gebäude deutet jedoch schon darauf hin, dass sich an dieser Stelle nie ein historischer Gang befunden hat.
Rainer Andresen erzählt, dass es insgesamt sogar einmal sechs Zugänge zu diesem Gangsystem gegeben haben soll [1]. Neben den drei schon bekannten Gängen Nöltings Gang, Graths Gang und Kleins Gang, dürften dies der später noch folgende Hartogs Thorweg in der Wakenitzmauer 170, der nicht mehr vorhandene Homanns Gang, Wakenitzmauer 184 und der ebenfalls noch folgende Schillings Hof, Hundestraße 83 gewesen sein.
NACHTRAG: Nachdem ich die Adressbücher der Jahre 1807 bis 1957 durchgeblättert habe, ist doch einiges klarer geworden, was die Benennung der Gänge und die Nummerierung der Häuser angeht. Die Ergebnisse meiner Recherchen habe ich im Artikel „Homanns Gang oder: Der Gang, der umzog…“ zusammengefasst.
[1] Lübeck, Das alte Stadtbild, Geschichte der Wohngänge, Band 3, Fischergrube bis Hundestraße; Rainer Andresen, Lübeck 1982; S. 57 ff
[2] Lübeck zur Zeit unserer Großeltern, Teil III: Stifte, Höfe, Gänge; Prof. W. L. von Lütgendorff, Lübeck 1936; S. 106
Archiv der Hansestadt Lübeck, Bau- und Architekturgeschichte, Stadtentwicklung in Lübeck:
[3] Dokument AG.04: Glockengießerstr. 1‑108
[4] Lübeck, Das alte Stadtbild, Geschichte der Wohngänge, Band 5, An der Mauer bis Wakenitzmauer; Rainer Andresen, Lübeck 1985; S. 161 f
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