Langs Thorweg
Auf den ersten Blick sieht Langs Thorweg nicht gerade wie ein „richtiger“ Gang aus. Aber warum ist das so und wieso hat die Turmuhr von St. Jakobi nur einen einzigen Zeiger?
Schon für die Zeit vor 1347 wird als Eigentümer von Langs Thorweg der Gerber Johan van Osenbrucge (Osenbrugge?) genannt, dem auch das Haus im Langen Lohberg 20 gehörte [1]. Bis zu zwölf Buden hat es hier einst gegeben, jedoch schwankte die Zahl im Laufe der Zeit, je nachdem wer Eigentümer war, wie viele Behausungen dieser vermieten wollte und welche Umbaumaßnahmen stattgefunden haben. Ursprünglich gehörten die Buden zum Anwesen Königstraße 5, in dem heute die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit untergebracht ist, später dann zur Königstraße 9, dem heutigen Museum Behnhaus Drägerhaus.
Einen Namen erhielt der Gang erst am Ende des 18. Jahrhunderts, als der Kaufmann Wohlert Conrad Kohpeis das Grundstück erwarb. Bis 1799 nannte man ihn deswegen auch „Kohpeis Thorweg“, seither kennt man ihn unter dem Namen „Langs Thorweg“, benannt nach Friedrich Lang, dem Schwiegersohn und Erben W. C. Kohpeis‘. Dessen Witwe verkaufte 1843 und bis 1864 ging die Anzahl der Buden bis auf fünf zurück. Seit dem grundlegenden Umbau im Zuge der Errichtung eines Lehrerseminars Anfang des 19. Jahrhunderts, der heutigen Berend Schröder Schule, ist der Weg auch komplett offen und zeigt sein heutiges Bild [2].
Läuft man am Ende des Weges nach rechts, um die Berend Schröder Schule herum, zeigt sich ein schöner Blick auf die Jakobikirche. Dem aufmerksamen Beobachter dürfte nicht entgangen sein, dass die Turmuhr dieser Kirche nur einen einzigen Zeiger besitzt und da drängt sich förmlich die Frage auf, was denn wohl mit dem anderen Zeiger passiert sein könnte?
Zunächst sei erwähnt, dass die Jakobikirche die einzige Kirche der Lübecker Altstadt ist, die heute überhaupt noch eine Turmuhr vorzuweisen hat. Zwar gab es eine erste Turmuhr bereits 1405 an der Marienkirche und auch St. Petri zierte einst eine solche Uhr, doch hat man letztere Anfang des 20. Jahrhunderts abgebaut, mit der Begründung, dass sich inzwischen auch in jedem ärmeren Haushalt eine Uhr befände. Dieser Begründung wäre fast auch die Uhr an St. Jakobi zum Opfer gefallen, doch hat man sich letztlich, wohl Kosten und Aufwand des Abbaus in St. Petri vor Augen, dazu entschlossen, die Uhr einfach nur außer Betrieb zu nehmen. So stand sie dann auch ein Jahrhundert lang still. Finanziert durch eine Spenden-Aktion des Lions-Clubs wurde sie 1989 gründlich saniert und mit einem elektrischen Aufzug versehen, sodass sie seither wieder brav die Zeit anzeigt.
Bleibt aber immer noch zu klären, warum die Uhr nur einen Zeiger hat. Auf dem Foto oben etwas schwer zu erkennen, befindet sich an allen vier Seiten des Kirchturms ein Ziffernblatt. Allein diese vier Zeiger gleichzeitig zu bewegen, erfordert schon eine ausgeklügelte und aufwändige Mechanik. Ein zusätzlicher Minutenzeiger an jeder Seite würde den Aufwand enorm vergrößern. Zudem kam es in früheren Zeiten nie so genau auf die exakte Uhrzeit an und mit nur einem einzigen Zeiger konnte man auch schon von Weitem die Uhrzeit hinreichend genau ablesen [3].
Archiv der Hansestadt Lübeck, Bau- und Architekturgeschichte, Stadtentwicklung in Lübeck:
[1] Dokument AL.01: Landschafts… bis Langer Lohberg 1‑47
[2] Lübeck zur Zeit unserer Großeltern, Teil III: Stifte, Höfe, Gänge; Prof. W. L. von Lütgendorff, Lübeck 1936; S. 108
[3] Lübecker Geheimnisse – 50 spannende Geschichten aus der Hansestadt; Eva-Maria Bast, Heike Thissen; Bast Medien GmbH, Überlingen; ISBN: 978-3-946581-25-3; 1. Aufl. 2017, S. 112 ff
Hallo Herr Pokorny,
gerne stöbere ich in Ihrem Blog und stoße dabei auf viele interessante Details.
Wie jetzt z. B. auf den Hinweis, dass St. Marien früher einmal mit einer Turmuhr ausgestattet war. Ich hatte bisher immer anderslautende Aussagen darüber gehört. Könnten Sie mir dazu Ihre genaue Quelle nennen?
Vielen Dank und beste Grüße!
Hallo Frau Matera,
diese Info habe ich aus dem Buch „Lübecker Geheimnisse“, Geheimnis 32: Turmuhr, auf Seite 113. Das ist zwar keine primäre Quelle, aber für den Artikel hat mir das vorerst gereicht. Sicher gibt es noch fundiertere Belege, die ich bestimmt auch noch mal aufspüren werde.