Schiffer-Hof
Eine wahre Institution in Lübeck ist die Schiffergesellschaft mit ihrem bekannten Restaurant in der Breiten Straße Nr. 2. Etwas weniger bekannt ist, dass sich an den hinteren Teil des Gebäudes ein Wohnhaus anschließt, errichtet für Witwen der Mitglieder der Schiffergesellschaft: der Schiffer-Hof.
Die Geschichte der Schiffergesellschaft reicht mit der St.-Nikolaus-Bruderschaft bis in das Jahr 1401 zurück [1]. Damals schlossen sich viele Berufsgruppen in solchen Bruderschaften zusammen, um sich, vor allem in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, gegenseitig zu unterstützen und die eigenen Belange gegenüber Staat und Kirche selbstbewusster vertreten zu können. Während sich viele der oft auch religiös geprägten Bruderschaften zur Zeit der Reformation wieder auflösten, schloss sich die St.-Nikolaus-Bruderschaft um 1530 mit der St.-Annen-Bruderschaft zusammen. So entstand eine nur aus Seeleuten bestehende Standesgesellschaft, die „Schippern Selschup“. 1535 erwarb man für 940 Mark lübisch das Haus an der Ecke Breite Straße/Engelsgrube gegenüber von St. Jacobi, der Kirche der Seeschiffer. Auf einer Inschrift über dem Portal zum Restaurant der Schiffergesellschaft ist diese Jahreszahl noch heute wiederzufinden.
In den folgenden Jahren errichtete man durch Integration von Nachbargebäuden 18 Wohnungen und bot so Speisen und Wohnraum für alte und bedürftige Menschen. Der Schiffer-Hof selbst wurde erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet. Hier sollten vor allem Witwen von verstorbenen Kapitänen eine Unterkunft finden.
Wie man sieht, bleibt der Innenhof normalerweise durch eine Tür vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen. Hin und wieder öffnet die Schiffergesellschaft jedoch das Tor und zeigt interessierten Besuchern, wie es innerhalb der Mauern des Schiffer-Hofes aussieht – zuletzt am Tag des offenen Denkmals am 10. September 2017. Meine Anfrage, einige der Fotos, die ich dabei aufgenommen habe, hier zeigen zu dürfen, wurde bisher noch nicht beantwortet. Sollte ich grünes Licht bekommen, werde ich diesen Beitrag um ein paar weitere Aufnahmen vom Innenhof ergänzen.
Da wir uns nun heimlich, still und leise von der Fischergrube in die Engelsgrube begeben haben, hier noch ein paar Worte zum Namen dieser Straße. Mit Engeln hat der nämlich nicht besonders viel zu tun! Angelegt wurde die Engelsgrube vermutlich im 12./13. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem Hafenausbau an der Untertrave. Im Lateinischen gibt die Worte „angelicus“ = Engels- sowie „anglicus“ = englisch. 1259 hieß diese Straße tatsächlich „fossa anglicus“, also „Englische Grube“ (fossa = lat. „Grube“). 1601 nannte man sie „Engelische Grouwe“ und ab 1852 wurde daraus schließlich die „Engelsgrube“ [2]. Hin und wieder hört und liest man, dass von hier aus vor allem der Englandhandel abgewickelt wurde oder dass hier viele englische Kaufleute gewohnt haben sollen. Dies lässt sich allerdings nicht hinreichend belegen. Um der wirtschaftlichen Bedeutung des Handels mit der britischen Insel Rechnung zu tragen, könnte man aber durchaus diesen Namen gewählt haben.
[1] Schiffergesellschaft zu Lübeck von 1401: Geschichte
Archiv der Hansestadt Lübeck, Bau- und Architekturgeschichte, Stadtentwicklung in Lübeck:
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